Siracusa, die Kathedrale und ein Puppenspieler

Vor langer langer Zeit sollen im damals griechischen Syrakus die Komödie, der platonische Idealstaat, die Kochkunst und das europäische Christentum erfunden worden sein, ich befinde mich also gleichsam in der Wiege Europas. So fühle ich mich für 2 Nächte auf der der Stadt vorgelagerten und nur durch 2 Brücken verbundenen Altstadtinsel Ortygia sehr wohl!

L‘estate del St.Martino verabschiedet sich mit zwei mächtigen Gewittern, es wird spürbar kühler und ich während meiner Streifzüge durch aufgeräumte, enge Gassen mehr als einmal nass!

Dorische Säulen, kurz, robust, kräftig kanneliert mit simplem Kapitell kennzeichnen die frühzeitliche Säulenordnung, hier der Rest eines Apollotempels am Eingang zur Insel.

Athene hat es sich auf dem höchsten Punkt der Insel gut gehen lassen und ich finde mich in einer Kirche, einen Dom, einer Kathedrale der Zeiten, einem ungemein und selten schönem sakraler Baukunst wieder!

Die Kathedrale ist ein Spiegelbild der abwechslungsreichen Geschichte Siziliens, nach den Griechen machen die Normannen aus dem Grundriss des Athenetempels ein romanische Kirchenschiff, das die dorischen Säulen geschickt zu integrieren weiss, 6 von aussen, 10 von innen, gut zu sehen, möglicherweise hatten auch die Araber ihre Finger im Spiel, was das Interieur betrifft.

Im 18. Jahrhundert kommt die prächtige barocke Blendfassade dazu! Mich beglücken die Lichtspielereien, die das einfallende Sonnenlicht durch die Kirchenfenster erzeugt und der grossartige Marmorboden, der Käfer – ist es ein Skarrabäus? – am Eingang ist sicherlich ein starkes Symbol, das ich aber nicht zu deuten weiss. Die Kirche strahlt eine starke Harmonie und Ruhe aus und wieder einmal sitze ich ganz und gar beglückt einfach nur da!


Die Piazza del Duomo, an der der Dom liegt (!), weist einen konkaven Grundriss auf und schmückt sich mit schönen Palazzi……..

Ansonsten hat alles zu, dem November und den wenigen Touristen geschuldet! Viele kleine einladende kunsthandwerkliche Läden rund um die Via della Maestranza, die Kirche Santa Lucia (oben im Bild ganz rechts),die mir so einen Caravaggio vorenthält, das Museo del Papiro wegen Renovierung, ausgerechnet jetzt!

Ebenso das Museo dei Puppi.

So schlendere ich denn einmal rund um die Altstadt entlang des lungomare, lasse mir Wind, die gute Meerluft, ein wenig Regen um die Nase tanzen, lande in einer einheimischen Bar mit einer Riesenplatte an „mescolanza dei pesce“ – kann ich alles garnicht essen……

lerne Ramsi kennen, einen Tunesier, der sein gutes Deutsch auf orientalischen Märkten seines Heimatlandes gelernt hat und der gleich um die Ecke eine Flüchtlingsunterkunft führt.

Ich schaue sie mir an. Ziemlicher Abfuck, sehr unordentlich, aber eine gute Idee: hier kann man billig in ein paar Räumen als Gast eines ostellos wohnen und finanziert mit seinem Obulus das Wohnen der Flüchtlinge mit, das sich über mehrere Stockwerke in dem alten Haus verteilt. Staatliche Unterstützung bekommt er keine, so lasse ich 50 Euro zurück und die Reste meines Fischtellers. 
Auch erzählt er mir über den Disput in der Familie der Puppenspieler, in der 3. Generation haben sich nun zwei Brüder zerstritten.

In der Via Guidecca, wo sich auch meine Unterkunft befindet, stand die Tür zu seiner Puppenwerkstatt weit offen und ich kam ins Gespräch mit dem jungen Puppenmacher. Ich drückte mein Bedauern darüber aus, das sowohl Museum als auch das Theater zusein, was er mit einer abfälligen Geste und einem, das sei ja nur für Touristen quittierte. Also daher wehte der Wind: er spiele in ganz Italien, auch im Ausland, allerdings noch nie in Deutschland.
Die „opera dei pupi“ hat in Sizilien ein lange Tradition. Spanier brachten die Marionetten im 18.Jahrhundert auf die Insel, in jeder Stadt, die auf sich hält, gibt es die opera, wenn auch mit unterschiedlichen Ausprägungen in der Gestalt der Puppen und dem Themen, die bespielt werden.Gemein ist ihnen aber, das es sich um Themen handelt, bei denen es immer um starke Emotionen, unerwiderte Liebe, den Zorn über die Ungerechtigkeiten des Lebens und die Verzweiflung der Unterdrückten geht. Die Seifenoper des kleinen Mannes auf einer Insel mit den bekannten hierachischen Strukturen!

Der Puppenspieler- der „pupari“- ist dabei alles in einem: Puppenbauer, Geschichtenschreiber, Intendant, Bühnen-und Kostümbildner…………sehr, sehr interessant!

In der zivilen Puppe hat Daniel seinen Grossvater, der die Puppenbühne begründet hat, nachgebildet. Links sehen wir Karl den Grossen – wie der immer auf diese Insel gerät, ist mir noch ein Rätsel, das zu lösen gilt-und rechter Hand Sarazenen! Und da sind wir – so meine ich denn – schon bei einem der Probleme und meiner sich mir aufdrängenden Frage: wie geht das heute, wenn christliche Würdenträger auf Muselmänner einschlagen und in grossen Spektakeln diese Puppen erschlagen werden?! Das Publikum das mit Klatschen oder Buhrufen begleiten darf?! Kinder dabei sind……. Das zu klären, dafür reicht mein Italienisch leider noch nicht, aber vielleicht liegt hier der Grund für ein innerfamiläres Zerwürfnis?

So hoffe ich denn darauf, in Palermo ein solches spettacolo besuchen zu können. und fahre weiter in das so viel beschriebene Vale del Barocco, Tal des Barocks, ein wenig weg vom Meer landeinwärts! Verabschiede mich von einer faszinierend lebendigen kleinen Stadt mit vielen anregenden Eindrücken!

Noch ein Nachtrag: das beste Cornetto mit Pistazien, was ich jeh zum Frühstück in Italien genossen habe, ist hier in Violas Bakery in der Via Roma 43 zu bekommen: ein trendiges Cafe, auch mit Zeitungen ausgestattet! Und nun kommt noch einmal so ein Fressfoto, wie ich sie ja eigentlich garnicht mag, aber im Zuge meiner Empfehlung muss es einfach sein:

…..und die Kathedrale noch einmal von rundherum…..ciao bella!