Es geht weiter auf den Spuren des „stilo del barocco“ durch den Südosten der Insel, das schon erwähnte Erdbeben von 1693 hatte die ganze Region zerstört und so war der „Sizilianische Barockstil“ entstanden. Gemeinsam in all den Städten, die ich besuche oder durchfahre, ist, das der Dom, die Kathedrale immer an der höchsten Stelle weit über alles hinwegstrahlt. Das mag einem antikem Bauprinzip nachempfunden sein, das Tempel ebenso an auserwählt hohe Orte zu bauen wusste, wird aber dem Machtanspruch der katholischen Kirche durchaus in die Hand gespielt haben und war dafür angetan, die Gläubigen klein und unterwürfig zu halten.
Dem kann man ganz wunderbar in Noto, der Vielstgepriesenen, nachspüren.
Die Kirchen und Palazzi borden über mit all den barocken Zutaten, sind extrem wuchtig und ausladend angelegt, rauben den Strassen an ihren Füssen das Sonnenlicht. Hier haben sich Nobili, Pfaffen und Popen nicht nur zur Sommerszeit in den kühleren, weil höher gelegenen Ort begeben, sondern sich eine spürbare Konkurrenz geliefert und: mit monumentale Prachtbauten am Ende majestätischer Treppenaufgänge ihre Machtallüren kraftvoll fortgeschrieben! Mussolini dann grüsst auch noch am Eingang der Stadt mit einer Adler gekrönten Porta, ich mag das alles so garnicht, die Turifalle hat hier kräftig zugeschnappt und nach kurzer Zeit fahre ich desillusioniert weiter. Noto – für mich ist es das nicht!
Um so netter, einladender und geerdeter kommt Ragusa Ibla daher.Die Stadt liegt in einem Schluchtengebiet weit oben, erinnert in der Art, wie sie sich an das Bergmassiv schmiegt, an Matera und wie dort vor ziemlich genau 4 Jahren habe ich mich in einem ehemalig und umgebauten, sehr anheimelnde Höhlen B&B eingemietet. Von dort arbeite ich mich über Höhen und Tiefen durch ein Gassengewirr zur Piazza del Duomo vor.
Hier ist der „Shabby chic“ nicht gewollt wie in Noto, sondern gegeben: die kleine Stadt ist spürbar zwischen Baum und Borke, zwischen renoviert und verfallend, zweifelsohne auf dem Weg! Bauliche Machtallüren, wenn überhaupt vorhanden, halten sich in einem verkraftbaren Mass und der Dom strahlt mit blauen Fenstern über den Platz. Ich sitze hier in einem trendigem Cafe, während es draussen wieder nieselt, habe ein nettes Gespräch mit dem commesso eines Alimantari. Auf dem Rückweg überfällt mich die Dämmerung und für mich wird Ragusa Ibla zur Stadt der Farbe gelb!
Am nächsten Morgen fahre ich Richtung Agrigento über Caltagirone landeinwärts weiter! Es nebelt und nieselt, sodass garnichts zu sehen ist vom Umland. Caltagirone ist d i e Stadt der Keramikproduktion auf der Insel, ein trauriges, herunter gekommenes Etwas, woran auch die berühmte Treppe nichts ändern kann! Die über 140 Stufen erspare ich mir, trinke dafür lieber einen Cappucho in einer Halle, die ich zeitlich nicht so recht einordnen kann! Wieder Mussolini?
Aber dann, nicht weit entfernt findet sich ein Juwel: nahe Piazza Armerina liegt die Villa Romana del Casale! Sie soll Landsitz von Marc Aurel Maximus, einer der Doppelkaiser der späteren römischen Zeit gewesen sein, wurde bei einer Überschwemmung im 12.Jahrhundert unter Schlamm begraben und 700 Jahre später in den 1950er Jahren wieder entdeckt. Die Mosaikböden sind fast vollständig erhalten und eine wahre Pracht,
erzählen bildhaft Geschichten von Jagden, Überführung exotischer Tiere für die Spiele nach Rom, über das Freizeitvergnügen junger Frauen oder sind einfach nur dekorativ ornamentiert!
Die Villa selber liegt in einer ausgesprochen fruchtbaren Umgebung mit allem, was die Natur hier zu bieten hat: Oliven, Zitrusfrüchte, Feigenkakteen, Wein! Das Wetter klart auf und auf meinem weiteren Weg nach Agrigento geniesse ich eine wunderbar harmonische Landschaft, oft an die Toskana erinnernd. Über dank EU-Geldern toll ausgebauten Strassen geht es gen Meer und Agrigento!